Abstract
Hintergrund: Bisher existierten im deutschen Sprachraum keine umfassenden Daten zur ärztlichen Praxis von Behandlungsverzicht und -abbruch am Lebensende. Diese Studie aus der deutschsprachigen Schweiz liefert hier erstmals eine detaillierte Analyse. Sie basiert auf dem breit angelegten empirischen Forschungsprojekt EURELD über medizinische Entscheidungen am Lebensende in 6 europäischen Ländern.
Methode: Im Bundesamt für Statistik wurde eine fortlaufende Zufallsstichprobe sämtlicher zwischen Juni und Oktober 2001 aus der deutschsprachigen Schweiz eingegangenen Todesfallformulare gezogen (n = 4991). Die Ärztinnen und Ärzte, die die Verstorbenen betreut hatten, wurden in streng anonymisierter Form zu den am Lebensende getroffenen Entscheidungen schriftlich befragt.
Ergebnisse: Die Rücklaufquote betrug 67 %. In insgesamt 48 % der untersuchten Behandlungsbegrenzungen lag ein Verzicht oder Abbruch der Verabreichung von Medikamenten vor, wobei es sich oftmals um Antibiotika handelte (insgesamt 17 % aller Behandlungsbegrenzungen). Weitere potenziell lebenserhaltende medizinische Maßnahmen, deren Anwendung am Lebensende begrenzt wurde, waren künstliche Flüssigkeitszufuhr (12 %), chirurgische Eingriffe (7 %), künstliche Ernährung (6 %), Chemotherapie (6 %), Diagnostik (4 %), Spitaleinweisungen (3 %), Dialyse (2 %), Verabreichung von Blut und Blutprodukten (2 %), Intubation (2 %), künstliche Beatmung (2 %), kardiopulmonale Reanimation (2 %) sowie Radiotherapie (1 %). 43 % aller Behandlungsbegrenzungen betrafen Patienten, die im Spital verstarben, 42 % Patienten im Alters- und Pflegeheim, 15 % Patienten, die zu Hause versorgt wurden. Insgesamt wurden fast drei Viertel (73 %) aller Behandlungsbegrenzungen durch medizinische Grundversorger veranlasst. Im Durchschnitt waren 8 % aller Behandlungsbegrenzungen mit einem geschätzten lebensverkürzenden Effekt von mehr als einem Monat verbunden. Höher war dieser Prozentsatz für Dialyse (25 %), Blut und Blutprodukte (18 %), sowie für diagnostische Maßnahmen (16 %).
Folgerungen: Der Verzicht auf oder Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen umfasst sehr verschiedene Entscheidungen in ganz unterschiedlichen klinischen Situationen. Die mit der Entscheidung verbundene Lebensverkürzung ist in den meisten Fällen der ärztlichen Einschätzung nach gering.
Abstract
Hintergrund: Bisher existierten im deutschen Sprachraum keine umfassenden Daten zur ärztlichen Praxis von Behandlungsverzicht und -abbruch am Lebensende. Diese Studie aus der deutschsprachigen Schweiz liefert hier erstmals eine detaillierte Analyse. Sie basiert auf dem breit angelegten empirischen Forschungsprojekt EURELD über medizinische Entscheidungen am Lebensende in 6 europäischen Ländern.
Methode: Im Bundesamt für Statistik wurde eine fortlaufende Zufallsstichprobe sämtlicher zwischen Juni und Oktober 2001 aus der deutschsprachigen Schweiz eingegangenen Todesfallformulare gezogen (n = 4991). Die Ärztinnen und Ärzte, die die Verstorbenen betreut hatten, wurden in streng anonymisierter Form zu den am Lebensende getroffenen Entscheidungen schriftlich befragt.
Ergebnisse: Die Rücklaufquote betrug 67 %. In insgesamt 48 % der untersuchten Behandlungsbegrenzungen lag ein Verzicht oder Abbruch der Verabreichung von Medikamenten vor, wobei es sich oftmals um Antibiotika handelte (insgesamt 17 % aller Behandlungsbegrenzungen). Weitere potenziell lebenserhaltende medizinische Maßnahmen, deren Anwendung am Lebensende begrenzt wurde, waren künstliche Flüssigkeitszufuhr (12 %), chirurgische Eingriffe (7 %), künstliche Ernährung (6 %), Chemotherapie (6 %), Diagnostik (4 %), Spitaleinweisungen (3 %), Dialyse (2 %), Verabreichung von Blut und Blutprodukten (2 %), Intubation (2 %), künstliche Beatmung (2 %), kardiopulmonale Reanimation (2 %) sowie Radiotherapie (1 %). 43 % aller Behandlungsbegrenzungen betrafen Patienten, die im Spital verstarben, 42 % Patienten im Alters- und Pflegeheim, 15 % Patienten, die zu Hause versorgt wurden. Insgesamt wurden fast drei Viertel (73 %) aller Behandlungsbegrenzungen durch medizinische Grundversorger veranlasst. Im Durchschnitt waren 8 % aller Behandlungsbegrenzungen mit einem geschätzten lebensverkürzenden Effekt von mehr als einem Monat verbunden. Höher war dieser Prozentsatz für Dialyse (25 %), Blut und Blutprodukte (18 %), sowie für diagnostische Maßnahmen (16 %).
Folgerungen: Der Verzicht auf oder Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen umfasst sehr verschiedene Entscheidungen in ganz unterschiedlichen klinischen Situationen. Die mit der Entscheidung verbundene Lebensverkürzung ist in den meisten Fällen der ärztlichen Einschätzung nach gering.
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