Abstract
Der moderne Verfassungsstaat setzt — in der Tradition der Aufklärungsphilosophie — Öffentlichkeit als verfassungsprägendes Prinzip, als Bedingung demokratischer Entscheidungsfindung und als normative Anforderung gegenüber dem Machthandeln der politischen Akteure voraus. Indem das Prinzip Öffentlichkeit sowohl die Entscheidungsfindung als auch die Machtkontrolle gewährleisten muss, ist Öffentlichkeit Bedingung der Legitimität moderner Herrschaftsordnungen, die auf demokratische Zustimmung rekurrieren müssen. Traditionelle Herrschaftsordnungen negieren das Prinzip Öffentlichkeit, indem sie die Legitimität von Machtpositionen und allgemeinverbindlichen Entscheidungen auf Herkunft und traditionelles Recht abstützen. Und moderne totalitäre Herrschaftsordnungen setzen die Grundrechte politischer Partizipation außer Kraft und eliminieren das Öffentlichkeitsprinzip zum Zwecke der Informationssteuerung und der Organisation von Akklamation. Politische Herrschaft in modernen demokratischen Gesellschaften ist dagegen auf Grundrechte abgestützt, zustimmungsabhängig und begründungspflichtig. Zustimmung und Begründung realisieren sich im Wesentlichen durch politische Kommunikation. Mit der Öffentlichkeit sind deshalb die Legitimitätsgeltung moderner Herrschaftsordnungen, die Auseinandersetzungen um ihre Verfasstheit, um ihre Institutionen und ihre Steuerungsfähigkeit untrennbar verknüpft. Dies verleiht dem erneut und auf vielfältige Weise beklagten “Zerfall der Öffentlichkeit” oder dem behaupteten Strukturwandel der Medien sowie des Kommunikationssystems Gewicht.