Abstract
In der Schweiz des ausgehenden 19. Jahrhunderts erfreute sich die Erforschung der lokalen Tier- und Pflanzenwelt großer Beliebtheit. Diese Forschungen waren keine ausschließlich akademische Angelegenheit, sondern ebenso eine Freizeitbeschäftigung breiterer Bevölkerungskreise. Tobias Scheidegger charakterisiert diese damals florierende Wissensformation als »Petite Science«. Diese bildete trotz gelegentlicher Kooperationen mit Universitäten einen eigenständigen Modus der Naturgeschichte. Das Forschungsinteresse dieser »Petite Science« galt der Inventarisierung und Sammlung der lokalen Flora und Fauna. In den Hauptstädten ländlich geprägter Kantone ohne eigene Universität formierten sich um diese Forschungsziele lokale Wissensmilieus, deren institutionelle Stützen kantonale Naturforschervereine, Naturmuseen und Gymnasien bildeten. Fallstudien aus fünf Kleinstädten beschreiben diese Milieus und deren Forschungs- und Sammlungstätigkeiten. Beleuchtet werden auch die Lebenswelten der Lokalforscher sowie ihre spezifischen Raumpraktiken. Diese spielten eine wichtige Rolle in der Erfindung des Naturschutzes und der Konstruktion von »Heimat« um 1900 und sicherten der »Petite Science« gesellschaftliche Ausstrahlung bis weit ins 20. Jahrhundert.