Abstract
Lehr-Lern-Gespräche werden im Unterricht häufig eingesetzt, ihr Potenzial zur kognitiven Aktivierung wird aber nur selten ausgeschöpft. Um einen Beitrag zur Erhöhung der Dialogizität im Klassenzimmer zu leisten, wurde ein Analyseraster entwickelt, das neben der Gesprächsstruktur erstmalig auch den Gesprächsprozess fokussiert. Als Indikatoren für dialogische und somit lernförder- liche Lehr-Lern-Gespräche erfasst wurden eine erweiterte IRF-Struktur, hohe inhaltliche Progression, substanzielle Beiträge der Lernenden sowie inhaltliche Vollständigkeit und Präzision. Empirisch eingesetzt und evaluiert wurde das Instrument im Fach „Wirtschaft & Gesellschaft“ (W&G) in einer Videostudie zur Gesprächsführung in neun Berufsschulklassen. Ebenfalls ausgewertet wurden Befragungsdaten von 86 bzw. 157 Deutschschweizer W&G-Lehrpersonen zum Methodeneinsatz sowie zu Einstellungen und Überzeugungen zum Lehr-Lern-Gespräch. Die Analysen zeigen einen Widerspruch zwischen Selbsteinschätzung und Fremdbeobachtung: Die Befragten teilen zwar die Ansicht, dass Lehr-Lern-Gespräche dialogisch geführt werden sollten, und schätzen ihre Praxis entsprechend ein. Von den 461 kodierten und mehrebenenanalytisch ausgewerteten Gesprächssequenzen konnten jedoch nur 8 % als dialogisch charakterisiert werden. Daraus ergibt sich Handlungsbedarf für die Lehrpersonenbildung: dialogisches Gesprächsführungsverhalten sollte vermehrt thematisiert und eingeübt werden. Die Arbeit stellt ein entsprechendes Schulungskonzept vor.
Although conversations between teachers and learners are common practice in classrooms, their potential for cognitive activation is seldom fully exploited. To contribute to increasing the quality of such dialogues, a framework was developed which covers not only their structure but also, and for the first time, the process dimension. An extended IRF-structure, high progression of content, substantial contributions from the learners, and the comprehensiveness and precision of how the content is dealt with serve as indicators for dialogical and thus effective teaching-learning conversations. The instrument was empirically implemented in a video study involving nine vocational school classes taught in the subject of “Economics & Society” (E&S). Moreover, the analyses included data on self-reported teaching methods as well as attitudes and beliefs about classroom dialogues of 86/157 E&S teachers from German-speaking Switzerland. The results revealed a contradiction between self-assessments and video observation: the teachers believe that teaching-learning conversations should be conducted dialogically and evaluate their practice accordingly. As multi-level analyses indicate, however, only 8 % of the 461 coded sequences of teaching-learning conversations can be characterized as dialogical. This calls for action in teacher education: dialogical conversation skills should be thoroughly discussed and also practiced. Hence the author outlines a training concept to meet this need.